BGH, Urteile vom 22. Januar 2004 - VII ZR 183/02, VII ZR 267/02, VII ZR 68/03
Bundesgerichtshof entscheidet über Bauhandwerkersicherung nach der Abnahme und nach der Kündigung
Nach § 648a Abs. 1 BGB kann der Bauunternehmer
vom Auftraggeber Sicherheit für die von ihm zu erbringenden
Vorleistungen einschließlich dazugehöriger Nebenforderungen in der
Weise verlangen, daß er dem Besteller zur Leistung der Sicherheit eine
angemessene Frist mit der Erklärung bestimmt, daß er nach dem Ablauf
der Frist die Leistung verweigert. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist
darf der Unternehmer die Leistung einstellen. Außerdem hat er die
Möglichkeit, dem Auftraggeber unter Androhung der Kündigung eine
Nachfrist zur Stellung der Sicherheit zu setzen. Nach fruchtlosem
Ablauf der Frist gilt der Vertrag als aufgehoben, §§ 643, 645 BGB. Der
Unternehmer hat dann Anspruch auf die Vergütung für die erbrachten
Leistungen und Ersatz der in der Vergütung nicht inbegriffenen
Auslagen. Außerdem kann einen Schadensersatz in Höhe von 5 % der
Vergütung geltend machen, wenn er keinen höheren Schaden nachweist.
Der
Bundesgerichtshof hat die streitige Frage entschieden, ob diese
Regelungen auch dann gelten, wenn der Auftraggeber die Leistung
abgenommen hat oder der Vertrag gekündigt worden ist. Er hat sie bejaht
und dabei darauf hingewiesen, daß § 648a BGB dem Unternehmer die
Möglichkeit verschafft, die gesetzlich geschuldete Vorleistung
abzusichern. Dieses Bedürfnis nach Absicherung besteht, solange der
Unternehmer ungesicherte Vorleistungen erbringen muß. Das kann auch
nach Abnahme oder Kündigung des Vertrages der Fall sein, nämlich dann,
wenn der Auftraggeber noch Mängelbeseitigung fordert, der Werklohn
jedoch noch nicht bezahlt ist. Ist der Unternehmer bereit und in der
Lage, die Mängelbeseitigung vorzunehmen, kann er sie davon abhängig
machen, daß der Auftraggeber eine Sicherheit für den noch offenen
Werklohn stellt. Ist die Frist, binnen derer die Sicherheit gestellt
werden muß, abgelaufen, darf der Unternehmer auch nach Abnahme oder
Kündigung die Mängelbeseitigungsarbeiten einstellen.
Der Bundesgerichtshof hat auch die Frage entschieden, wie der
Unternehmer den Vertrag nach Abnahme oder nach Kündigung abrechnen
kann, wenn der Auftraggeber die Bezahlung wegen Mängeln verweigert,
jedoch eine Sicherheit nicht stellt. In diesen Fällen beruft sich der
Unternehmer auf sein Recht, die Mängelbeseitigungsarbeiten zu
verweigern; der Auftraggeber beruft sich auf sein Recht, die Zahlung
des Werklohns in Höhe des mindestens Dreifachen der
Mängelbeseitigungskosten zu verweigern, § 641 Abs. 3 BGB. Es entsteht
eine "Pattsituation". Diese ist nach der Systematik des Gesetzes
aufzulösen. In sinngemäßer Anwendung der §§ 648a Abs. 5, 643 Satz 1 und
645 Abs. 1 BGB hat der Unternehmer die Möglichkeit, dem Auftraggeber
eine Nachfrist zur Sicherheitsleistung mit der Erklärung zu setzen, daß
er die Mängelbeseitigung ablehne, wenn die Sicherheit nicht
fristgerecht geleistet werde. Nach fruchtlosem Ablauf der Nachfrist
erlöschen der Mängelbeseitigungsanspruch des Auftraggebers und damit
auch sein Leistungsverweigerungsrecht. Der Unternehmer hat Anspruch auf
die Vergütung, die jedoch um den mangelbedingten Minderwert zu kürzen
ist. Das bedeutet, daß regelmäßig diejenigen Kosten von der
vertraglichen Vergütung abgezogen werden, die notwendig sind, um den
Mangel beseitigen zu lassen. Außerdem hat der Unternehmer Anspruch auf
Ersatz des Vertrauensschadens nach Maßgabe des § 648a Abs. 5 Satz 2
BGB.
Der Unternehmer muß von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen.
Er kann davon absehen, eine Nachfrist zu setzen und den
Mängelbeseitigungsanspruch des Auftraggebers zu Fall zu bringen. In
diesem Fall kann er die volle vertragliche Vergütung verlangen, muß es
jedoch hinnehmen, daß der Auftraggeber sein gesetzliches
Leistungsverweigerungsrecht geltend macht.
Mit dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof insbesondere
solchen Lösungsvorschlägen eine Absage erteilt, die dem Unternehmer den
Anspruch auf die volle vertragliche Vergütung zubilligten, obwohl die
Leistung mangelhaft war. Er hat auch darauf hingewiesen, daß in einem
Werklohnprozeß die Frage, ob die Leistung mangelhaft ist, nach der von
ihm entwickelten Lösung nicht offen bleiben kann, sondern vom Gericht
zu klären ist.
Karlsruhe, den 23. Januar 2004
Pressestelle des Bundesgerichtshofs
Baurechtsurteile.de Beitrag 131